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Walter Klemm: Ein Leben für unsere siebenbürgisch-sächsische Kultur und Tradition

Die Kreisgruppe Bad Tölz-Wolfratshausen trauert um ihr verdientes Vorstandsmitglied Walter Georg Klemm, der am 1. Januar 2023 in Geretsried in Oberbayern verstorben ist. Er hat die letzten Jahre seines von schwerer Krankheit gezeichneten Lebens in der Geborgenheit eines Geretsrieder Altenheimes in pfleglicher Umgebung und in liebevoller Begleitung seiner Familie verbracht. Mit ihm haben wir einen unserer aktivsten Mitstreiter verloren, der unsere Gemeinschaft durch viele Initiativen bereichert und gestärkt hat und dem wir viel verdanken.


Unter tiefer Anteilnahme zahlreicher Familienangehöriger, Freunde und Bekannten wurde er am 11. Januar 2023 auf dem Waldfriedhof in Geretsried beigesetzt. Die Aussegnungshalle war erfüllt von den feierlichen Klängen einer musikalischen Umrahmung durch seine Witwe Renate und Tochter Erika, die mit diesen Weisen dem Verstorbenen Lebewohl sagten. Dort nahmen auch seine Tochter Erika und sein Freund aus Kindheitstagen Gottfried Sanchen mit bewegenden Worten Abschied. Erika Klemm erinnerte an ihren Vater als Friedensstifter, als besonderes Vorbild für Treue und Zuverlässigkeit und als Sozialarbeiter, der seine vier Kinder in diesem Sinne erzogen hatte. Unter dem Motto „Das Sichtbare ist vergangen, was bleibt ist die Erinnerung“ führte uns Sanchen zu verschiedenen Stationen im Leben des Menschenfreundes Walter Klemm, dem Kontakt- und Freundschaftspflege ein andauerndes Bedürfnis waren und der die Triebfeder für unzählige Treffen mit Verwandten und Freunden war und auf diese Weise zu deren Zusammenhalt beitrug. Beim anschließenden Tränenbrot würdigte Georg Hutter das kulturelle Leben der Siebenbürgischen Kantorei, deren aktives Mitglied Walter Klemm von 1988 bis 2013 war. 25 Jahre lang hatte er an zahlreichen Auftritten und Kantorei-Reisen auch nach Siebenbürgen mitgewirkt.



Walter Klemm bei der Hochzeit seines Sohnes Volker in Bayreuth, 2009. Foto: Werner Klemm


Der am 27. Dezember 1939 in Bistritz als Sohn des Biologielehrers Werner Klemm und der Mathematiklehrerin Helga, geb. Keinzel, Geborene zog mit der Familie 1942 nach Hermannstadt, wo der Vater als Pädagoge wirkte. Hier verbrachte Walter zusammen mit den Geschwistern Werner, Helga und Ilse eine wohlbehütete Kindheit, besuchte die Volksschule und das Brukenthal-Lyzeum, wo er 1956 die Matura ablegte. Nach sieben Jahren beruflicher Tätigkeit als Elektromechaniker studierte er an der Universität Klausenburg Volkswirtschaft und schloss sein Studium als Diplomökonom ab. Am 6. März 1977, zwei Tage nach dem großen Erdbeben, erfolgte die Ausreise mit Ehefrau Renate, geb. Pancratz, und den Kindern Rolf, Erika und Volker nach Deutschland. In Villingen im Schwarzwald erwarb er EDV-Kenntnisse durch eine Umschulung und fand eine Anstellung bei einer Computerfirma. 1982 wurde dort Tochter Maria geboren. 1984 zog die Familie berufsbedingt nach Geretsried. Walter Klemm war sehr stolz auf die Leistungen und Erfolge seiner Kinder: „Als die wichtigste Leistung sehe ich die mit meiner Frau Renate großgezogenen vier Kinder an, von denen drei je ein Doppelstudium bewältigt haben“, sagte er einmal seinem Freund Gottfried Sanchen. Große Freude bereiteten ihm seine sieben Enkelkinder.


Walter Klemm ist vielen Siebenbürgern durch seine vielseitigen landsmannschaftlichen Tätigkeiten bekannt. Zu seinen großen Verdiensten gehört die Gründung der neuen Kreisgruppe Schwarzwald-Baar mit 70 verstreut im Gebiet um Villingen lebenden siebenbürgischen Familien, deren Vorsitzender er bis 1984 war. Danach entfaltete er über mehrere Jahrzehnte eine bemerkenswerte Tätigkeit für unsere Gemeinschaft als Pressereferent und stellvertretender Vorsitzender der Kreisgruppe Bad Tölz-Wolfratshausen. Er nahm an allen Aktionen der Kreisgruppe, als Delegierter an den Verbandstagen und an den Pressereferentenseminaren teil. Ich habe ihn als verlässlichen und kompetenten Ratgeber in landsmannschaftlichen Belangen kennen und schätzen gelernt, der sich mit seinem ausgleichenden Wesen für unsere Gemeinschaft engagiert hat.


Er war aber auch in anderen, nicht nur landsmannschaftlichen Vereinen und Organisationen (insgesamt 16) tätig: HOG Bistritz-Nösern, Heimatgemeinschaft der Deutschen aus Hermannstadt, Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen, Siebenbürgische Kantorei, Gesellschaft für deutsche Musikkultur im östlichen Europa. Besonders erwähnenswert ist seine Teilnahme an über 20 Löwensteiner Musikwochen.


Im Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL), dessen aktives Mitglied er seit 1977 war, wirkte er in der „Arbeitsgemeinschaft zur Spurensicherung“ bei der Erstellung des „Schriftsteller-Lexikon der Siebenbürger Deutschen“ und am „Lexikon der Siebenbürger Sachsen“ mit. Für das Persönlichkeiten-Archiv sammelte er bibliografische Daten von rund 30 Persönlichkeiten, von denen fünf mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis geehrt wurden.


Sein großes Interesse galt dem Förderverein Geretsrieder Heimatmuseum. Mit unzähligen Arbeitsstunden brachte er sich in die Planung und Durchführung des Umzugs des Museums im Frühjahr 2010 ein, dem die Stadt einen Bau zur Verfügung gestellt hatte. Dadurch hat Klemm maßgeblich dazu beigetragen, dass hunderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene die Einrichtungen des Heimatmuseums im Rathaus und später das Stadtmuseum Geretsried mit der wechselhaften Geschichte der Landsmannschaften kennen lernen können. Besonders erwähnenswert sind auch seine insgesamt zwölf Chormitgliedschaften: Im Hermannstädter Bach-Chor hatte er unter Prof. Franz Xaver Dressler gesungen, in Deutschland wirkte er zunächst in den Kirchenchören Rottweil und Villingen und dann in den Kirchenchören Geretsried und Lenggries, in der Siebenbürgischen Kantorei, Tölzer Kantorei, im Chor der Isartaler Musikfreunde und Penzberger Kantorei sowie im gemischten Chor der Kreisgruppe Bad Tölz – Wolfratshausen.


Als Mitglied im Landesbund für Vogelschutz setzte er sich für Renaturierungsprojekte und Moorwiedervernässungen sowie für Artenschutz und -vielfalt ein. Unter seiner Mitwirkung wurden Ausstellungen gezeigt, die Hunderte von Schülern in über 30 Schulen mit der umgebenden Vogelwelt vertraut machten. Durch die soziale Ader und das Vorbild seiner Mutter war er geradezu prädestiniert, sich in seinem Umfeld stets um alte, kranke, alleinstehende Menschen und Landsleute zu kümmern. Nach der Mitpflege seines zuletzt 97 Jahre alten Schwiegervaters übernahm er Verantwortung um die Betreuung älterer Landsleute. Er schenkte ihnen einen Teil seiner Freizeit und verhinderte deren Vereinsamung, indem er diesen teils geh- und sehbehinderten Menschen die Teilnahme an den Veranstaltungen der Kreisgruppe ermöglichte, sie regelmäßig zu Spaziergängen begleitete oder ihnen Artikel aus der Siebenbürgischen Zeitung vorlas.


Veröffentlicht hat Klemm zahlreiche Berichte über das Vereinsleben der Kreisgruppe in der Siebenbürgischen Zeitung, in den Spiegelungen, den Schäßburger Nachrichten, dem Heltauer Nachrichtenblatt, dem Hermannstädter Heimatboten, den DAV-Jahresbüchern etc. Die Siebenbürgische Zeitung schrieb anlässlich der Ehrung zu seinem 70. Geburtstag: „Was zählt, sind die menschlichen Fähigkeiten, all dieses zu bewerkstelligen: vor allem Fleiß, Beobachtungsgabe und andauernd lebhaftes Interesse für gesellschaftliche Vorgänge, für herausragende Personen, musisches Talent und Beharrlichkeit im Sammeln und Sortieren von Fakten und Ereignissen.“


1981 erhielt er als Anerkennung seiner Verdienste das Silberne und 2001 das Goldene Ehrenwappen der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. Beim Verbandstag in Bad Kissingen wurde Walter Klemm am 3. November 2007 als zweiter Siebenbürger Sachse mit dem Verdienstabzeichen unseres Verbandes „Pro Meritis“ geehrt. Siebenbürgisch-sächsische Kultur und Tradition habe Klemm nicht nur selbst gelebt und gepflegt, sondern das Wissen darüber durch eigene Beiträge vermehrt und einer breiten Öffentlichkeit vermittelt, heißt es in der Verleihungsurkunde.


Wir danken Walter Klemm für seinen jahrzehntelangen Einsatz, bei dem er stets ausgleichend wirkte und die Interessen und Standpunkte der Landsmannschaft klar gemacht und verteidigt hat. Wir haben ihn als engagierten, zuverlässigen und stets hilfsbereiten Menschen schätzen gelernt und werden ihm immer ein ehrendes Andenken bewahren. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie und allen Angehörigen.

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